LF: Nachdem Sie Linux erschaffen hatten, entschlossen
Sie sich 1992 dazu, es unter einer GPL-Lizenz der FSF registrieren zu lassen,
die eine großzügige Verteilung des Quellcodes des Linux-Kerns
zuläßt.
Linus: Ich wechselte die Linux-Copyright-Lizenz zu GPL irgendwann in
der ersten Hälfte 1992 (März oder April glaube ich). Vorher war
es eine sehr strenge Lizenz mit einem grundlegenden Verbot jeglicher kommerzieller
Verteilung - hauptsächlich weil ich ein Jahr vorher sehr die nicht-Verfügbarkeit
eines günstigen Unix bedauert hatte.
LF: Von Zeit zu Zeit haben Sie die GPL sehr engagiert
gegen andere Lizenzen, wie zum Beispiel die der Berkeley-Universität,
verteidigt.
Linus: Ich würde sagen, daß es bei einem Vergleich mit der
Lizenz der Berkeley-Universität zum Beispiel, nicht irgendetwas fundamental
besseres in der GPL gibt. Aber die GPL ist die Lizenz, mit der _ich_ programmieren
möchte, weil im Gegensatz zur der aus Berkeley stammenden jeder, der
in Zukunft Änderungen am Code vornimmt, diese auch der Gemeinschaft
zukommen lassen muß.
Und wenn ich in meiner Freizeit zu meinem eigenen Vergnügen programmiere,
will ich wirklich diese Gewißheit haben: Ich will sicher sein, daß
falls ich ein Programm verbessere mir und anderen alle diese Änderungen
auch in zukünftigen Versionen des Programms zugute kommen.
Andere haben andere Ziele, und manchmal sind die Lizenzen nach BSD-Stil
besser für diese Ziele. Ich persönlich tendiere dazu, die GPL
vorzuziehen, aber das heißt nicht, daß die GPL vom Prinzip
her besser wäre - das hängt davon ab, was jemand von der Lizenz
erwartet.
LF: Neuerdings überraschen einige angesehene
Firmen mit der Ankündigung den Quellcode von Programmen der Öffentlichkeit
zur Verfügung zu stellen. Als Beispiel ist hier die Netscape Communications
Corporation zu nennen, die plant, ihren Navigator in Linux zu integrieren.
Was sagen Sie zu der GPL-Lizenz, dem "Free Software Movement" ("Freeware-Bewegung")
und Netscapes neuem Zug?
Linus: Ich glaube nicht, daß Netscape den Navigator in Linux "integrieren"
will. Ich glaube was geschah ist, daß die Leute von Netscape
schon lange darauf aufmerksam geworden sind, wie gut das Linux-Entwicklungsmodell
funktioniert, und daß Microsofts Angriff auf den Browsermarkt zu
der Entscheidung führte, daß es Zeit für ungewohnte Methoden
ist, um eine Veränderung des Marktes herbeizuführen zu könnnen.
Ich bin persönlich sehr mit dem Handeln von Netscape zufrieden,
schon deswegen, weil sehr bekannte kommerzielle Organisationen beginnen
die Nützlichkeit und die Erfolgchancen des Free-Software-Paradigmas
wirklich zu sehen. Netscape kann als Beispiel für Andere dienen, die
nachfolgen können.
LF: Wenn wir schon dabei sind, wie meinen Sie,
wird die Linux- und die Freeware-Gemeinde in 2, 5 oder 10 Jahren aussehen?
Sind Sie der Meinung, die Freeware-Bewegung wird bei der Evolution der
kommerziellen Software mithalten können, indem jede neue Technologie
in Linux und BSD integriert wird?
Linus: Ich versuche niemals irgendwelche weitreichenden Vorhersagen
zu machen; so viel kann passieren, es läßt einen ein paar Jahre
später einfach dumm dastehen. Ich denke, daß freie Software
nicht nur eindeutig mit der Entwicklung von kommerzieller Software mithalten
kann, sondern daß sie oftmals über die Möglichkeiten kommerzieller
Entwicklung hinausreicht. Netscape stimmt da offensichtlich mit mir überein.
LF: Entgegen Linux´ kurzem Leben hat dieses
Betriebssystem in Rekordzeit viele hunderttausend Kenner in der ganzen
Welt gewonnen. Viele Experten wählten es von einem objektiven Standpunkt
vorurteilslos für ihre Firmen aus. Nicht aus fanatischen Gesichtspunkten,
sondern weil Sie die Leistungsfähigkeit von Linux erkannnt haben.
Es gibt andere, vorsichtigere, die nicht öffentlich zugeben, mit Linux
zu arbeiten (vielleicht um ihrer Firma nicht einen Rückschlag aufgrund
der Nutzung von freier Software zuzumuten). Schließlich gibt es die
wahrhaften Meister von Linux, die sich selbst vielleicht als David identifizieren,
der gegen einen Goliath, dargestellt durch Microsoft, antreten. Diese gerade
genannte Firma repräsentiert die Essenz des Marktsystems, nämlich
den Hauptgedanken, nach dem Produkt selbst, zu Verkaufen und enorm viel
Geld zu machen. Teilen oder verstehen Sie dieses Bestreben?
Linus: Natürlich verstehe ich den "David gegen Goliath"-Aufbau.
Aber ich persönlich kann mich nicht sehr für ihn begeistern.
Ich kann nicht sagen, daß ich Microsoft mag; ich bin der Meinung,
daß sie ziemlich schlechte Betriebssysteme machen - Windows NT ist
auch nicht besser - aber während ich nichts für ihre Betreibssysteme
übrig habe und ihre Vermarktungsstrategien verabscheue, kümmere
ich mich nicht sehr um sie.
Ich bin einfach zu zufrieden damit, zu tun was ich tun _will_, um ernsthaft
eine negative Einstellung gegenüber Microsoft zu haben. Sie machen
schlechte Produkte - also was solls? Ich habe damit nichts am Hut, weil
ich sie glücklicherweise nicht benutzen muß. Und meine eigene
Alternative zu programmieren war auf jeden Fall eine sehr befriedigende
Erfahrung. Ich habe dadurch nicht nur eine Menge gelernt, sondern auch
tausende von Menschen, die ich wirklich mag, kennengelernt während
ich Linux entwickelte - einige von diesen persönlich, aber die meisten
durch das Internet.
LF : Bitte erlauben Sie mir diesen einfachen und
oberflächlichen Vergleich anzustellen. Sie haben wie Bill Gates als
Student ein sehr erfolgreiches Betriebssystem entwickelt. Naja, eigentlich
hat Gates nicht wirklich selber ein OS entwickelt, aber bitte erlauben
Sie mir den Vergleich ; ). Sie haben eine gewaltige Popularität erreicht
und mehrere Preise gewonnen, wie "The UniForum Award" oder vor kurzem (1997)
den der "Nokia Foundation" der Ihr "anspornendes Beispiel für junge
Forscher" erwähnt. Jetzt ist Herr Gates, Jahre später und weit
entfernt von dem Jungen, der zusammen mit Paul Allen Microsoft gegründet
hat, abscheulich reich und wohnt in einer Wohnung nahe Lake Washington
in Seattle. Diese Wohnung kostet ihn so ungefähr 63 Millionen US$.
Können Sie sich vorstellen, mit Ihrer Frau Toe und Ihrer Tochter Patricia
in einem Haus wie jenem zu leben?
Linus: Ich habe keine Ahnung von wo ich so viel Geld bekommen sollte,
aber ich kann mir gut vorstellen, in einem solchen Haus zu leben. Ich würde
das wahrscheinlich riesig genießen ; ).
Aber ich denke nicht, dass dieser Vergleich sehr zutreffend ist. Bill
Gates ist scheinbar in Wirklichkeit viel eher ein Geschäftsmann als
ein Techniker. Währendessen ziehe ich es vor, an die technischen Aspekte
von Linux zu denken und es nicht als Geldquelle zu betrachten. So gesehen
werde ich wahrscheinlich nicht so viel Geld wie Bill Gates machen.
LF: Am 25. August 1991 haben Sie die folgende
Message in das USENET gesetzt: "Hallo an alle minix-Benutzer da draußen.
Ich mache ein (freies) Betriebssystem (nur ein Hobby, es wird nicht groß
und professionell wie gnu) für 386(486) AT-kompatible." Seit der Geburt
von Linux 1991 (glücklicherweise wollte das Schicksal das Sie
es nicht Benedictux nannten), ging die Entwicklung dieses Betriebssystems
durch verschiedenen Phasen. Am Anfang steht die primitive Version 0.01
vom September 1991. Am fünften Oktober hatten Sie dann schon die Version
0.02 und kurz danach veröffentlichten Sie 0.03, schließlich
kamen 0.10, 0.11 und mit 0.12 wurde ein recht anständiges Ergebnis
erreicht. Von da an sprangen Sie zu 0.95 und 0.96, in der Voraussicht der
ersten "nicht-beta" Version. Nach der ersten Version kündigten Sie
am neunten Juni 1996 Version 2.0 an, welche wenig mit ihren Vorgängern
zu tun hatte: Unterstützung für multiple Architekturen, Unterstützung
für symmetrische Multiprozessoren, schreiben und lesen von Shared
Memory Mappings von Dateien, um nur ein paar von dessen Neuerungen zu nennen.
Können Sie schon sagen, wann wir Version 3.0 sehen werden, und welche
Neuerungen den Sprung zu einer neuen Version verdienen werden?
Linus: Im Moment sieht es so aus, als ob der nächste Sprung Echtzeit-
und Cluster-Features sein werden. Linux wird tatsächlich schon für
beides benutzt, aber schon für etwas genutzt werden und für etwas
geplant worden zu sein sind zwei Paar Schuhe.
Aber ich will Linux nicht auf irgendeinen "Fünf-Jahres-Plan" beschränken!
Das Clustering- und Echtzeit-Krams ist einfach etwas, woran schon Leute
arbeiten, darüberhinaus wird es einigermaßen gut verstanden
und es gibt traditionelle Einsatzbereiche.
Ich denke die richtig _interessanten_ neuen Dinge werden Sachen sein
die heute erst spärlich auftauchen, die aber in einem oder zwei Jahren
selbstverständlich sein werden. Netzwerke mit hoher Bandbreite, Live-Video
usw. Ich weiß nicht, wie all jenes unseren Gebrauch von Computern
verändern wird, aber es wird sicher eine ziemlich grundlegende Veränderung
der Betriebssysteme bewirken.
LF: Im August letzten Jahres (1997) wurde in Monterey,
California, ein lange geführter Streit um den Besitz des Linux-Warenzeichens
gelöst und Ihnen wurde das Besitztum des Zeichens zugewiesen. Im Gegesatz
dazu erlaubt die GPL-Lizenz anderen Firmen, mit dem Verkauf von Linux Geschäfte
zu machen, ohne daß Sie direkt (jedenfalls im Verhältnis) an
den Profiten, die resultieren müssen, beteiligt werden. Statt dessen
widmen Sie sich aktiv und persönlich dem Entwickeln von neuen Versionen
und Patch-Updates. . .
Linus: Ja. Es sollte angemerkt werden, daß das Warenzeichen des
Namens "Linux" und das Copyright auf den Quellcode, der Linux ausmacht,
in Wirklichkeit sehr verschieden sind. Im Moment gehört mir das Warenzeichen
und ein großer Teil der Copyrights, aber es gibt keine Anzeichen,
daß es immer so sein wird. Um es genau zu sagen, habe ich versucht,
das Warenzeichen der Linux International not-for-profit organization
zu überschreiben, aber es machte juristisch mehr Sinn, es mir persönlich
zu übereignen. Außerdem gibt es scheinbar mehr Menschen, die
mir persönlich eher vertrauen als einer Organisation.
LF: . . .Wenn Sie gefragt werden, ob es
Sie störe, antworten Sie nicht nur negativ, sondern drücken auch
noch Ihre Zufriedenheit und Feude darüber aus, daß Firmen wie
Red Hat Linux in kommerzielle Wagnisse einführen und deshalb in die
Entwicklung investieren, um ein besseres Produkt zu erhalten. Wie fühlen
Sie sich, wenn bekannt wird, daß nicht Windows/NT oder DEC Unix zum
Beispiel, sondern Linux als ideales OS von Digital Domain ausgewählt
wird, der Firma, die die high-tech Visual Effects für den Film
Titanic gemacht hat. Oder wenn Debian Systems die Software für die
Ham-Radio Kommunikationssatteliten entwickelt?
Linus: Augenscheinlich ist einer der Gründe warum es mich wirklich
nicht kümmert, dass Menschen Linux kommerziell verkaufen, dass ich
mich gut fühle wenn Menschen das Produkt benutzen.
Während ich auch kein Geld von Linux bekomme, habe ich doch eine
große persönliche Genugtuung, weil ich etwas programmiert habe,
dessen Nutzung die Menschen wirklich erfreut, und das Menschen für
die beste Alternative für ihren Zweck halten.
Und währenddessen fordert die GPL, daß alle zukünftigen
Investitionen in Linux für alle zugänglich sind. Das heißt
wenn eine kommerzielle Firma wie Red Hat ein etwas besseres Linux-Release
macht, bekomme ich wirklich etwas _zurück_. Also gibt es ziemlich
viel Entschädigung, auch wenn diese Entschädigung nicht in Form
von Geld ist.
LF: Was meinen Sie zu dem anhaltenden GUI-Krieg
für die Linux-Umgebung? Was denken Sie über die alternativen
GUIs, wie das Berlin-Projekt? Sehen Sie im Zusammenhang mit X irgendwelche
Probleme auftreten?
Linus: Ich bin in der komischen Situation, mich sehr engagiert auf das
Grundsystem konzentriert zu haben, und deswegen den Projekten rund um Linux
nicht sehr ernsthaft gefolgt zu sein. Ich habe die Benutzerebene aufs Geradewohl
gewähren lassen, in der Gewißheit, daß welche Absonderlichkeiten
ein Benutzerebenenprogramm auch immer machen möge, der Kern wird es
handhaben können.
Wenn es um ein GUI geht, ist einer der wichtigsten Faktoren, daß
es weithin anerkannt wird, und daß es technisch stimmig ist. Das
X-Window System erfüllt diese beiden Voraussetzungen, soweit ich das
sehe. Und während es offensichtlich ein paar Probleme gibt, bedeutet
das keinesfalls eine Schwächung.
Ich glaube die interessanteste Arbeit wird in eine Verbesserung des
Look and Feel gesteckt, und nicht in dessen Ersetzung. Es gibt ein paar
wirklich nette Desktop-Oberflächen: fvwm95, KDE usw. Und ich denke
X ist besser für sie. Ich glaube weiterhin nicht, dass es ein
großes Problem mit dem GUI gibt, aber ich werde warten und schauen
was kommen mag.
LF: Zu diesem Zeitpunkt, nur 6 Jahre seit der
Geburt von Linux, verändern sich die Dinge mit großer Geschwindigkeit.
RedHat wurde von Infoworld zum Betriebssystem des Jahres ernannt; Linux
laut IDC das am schnellsten wachsende nicht-Microsoft Betriebssystem der
Welt; und es wird geschäzt, daß 1997 zwischen 2 Millionen und
6 Millionen Kopien von Linux weltweit installiert wurden. In der Mitte
von diesem Schwall von Ereignissen scheinen Sie nicht unbeteiligt zusehen
zu wollen, wie Linux wächst. Im Gegesatz handeln Sie scheinbar entgegen
alle physischen Gesetze des Raumes und der Zeit, wenn Sie auf mehreren
Konferenzen auftauchen (wie das geplante Erscheinen in North Carolina im
März), Ihre Arbeit bei Transmeta aufrechterhalten (können Sie
uns zufällig etwas dazu sagen?), das fortgesetzte Entwickeln des Kerns
(lesen von E-Mail und Newsgroups) verfolgen und sich um die Medien kümmern,
die von Zeit zu Zeit Ihnen und Ihrem Privatleben Aufmerksamkeit schenken.
Linus: Linux hat meine kleinen anfänglichen Erwartungen mehr als
erfüllt. Es ist einfach unglaublich, wie erfolgreich Linux war, und
wieviel Spaß ich mit der Entwicklung und Leitung des Projektes hatte.
Es verschlingt eine _Menge_ von meiner Zeit, aber diese Zeit so zu verbrauchen
macht wirklich Spaß. Zusätzlich hat Linux nie aufgehört,
mich vom technischen und organisatorischen Standpunkt her zu reizen.
Ich gehe nicht mehr so oft wie gewöhnlich zu Konferenzen, denn
ein Kind zu haben und von der Universität weggegangen zu sein läßt
mir weniger Zeit als ich noch vor ein paar Jahren hatte, aber ich habe
versucht das auszubalancieren - nicht nur Zeit mit Linux zu verbringen,
sondern auch noch einen richtigen Beruf und ein richtiges Leben zu haben.
Es hat ganz gut funktioniert, und während ich doch sehr beschäftigt
bin, kann ich beruhigt behaupten, niemals Langeweile zu haben ; )
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